Die Antriebskraft für meine künstlerische Arbeit ist die innere Notwendigkeit, die Erfahrungen meiner Vergangenheit und Gegenwart in eine Symbiose zu bringen. Alles Erahnte und Erschaute ist mir Mysterium. Farbe und Form versetzen mich nicht nur in Euphorie, sondern geben mir die Möglichkeit, Statik und Bewegung in ein Gleichmaß zu bringen. – Und immer geht es mir dabei um die Würde des Menschen und des Menschseins, um Form und Haltung. Robert Hammerstiel
Mit Einzelausstellungen wiederholt vertreten in folgenden Galerien:
Seit 1983 zahlreiche Beteiligungen an: Ausstellungen, Messen, europäischen (Grafik-)Biennalen und Triennalen sowie Symposien im In- und Ausland.
Ins Herz der Farbigkeit. Zur Lebenswanderschaft des Künstlers Robert Hammerstiel
Robert Hammerstiel war fast Mitte sechzig, als die intensive Farbigkeit und die urbane Unruhe der Stadt New York in ihm einen koloristischen Furor auslösten. Die Farbfelder in Pink, Grün und Orange scheinen zu glühen, selbst die violette Düsterheit wirkt grell. Die gesichtslosen monochromen Gestalten, seit vielen Jahren treue Begleiter des Malers („meine Figuren“), sind zu großstädtischen Szenografien gestaffelt – ein schemenhaftes Marionettentheater des leidenschaftlichen, ja lustvollen Fremdseins. Hammerstiel fühlte sich in New York vielleicht deshalb von Euphorie durchpulst, weil er früh erfahren hat müssen, was es heißt, entwurzelt zu sein.
Der Schattenmann an der Bar mit dem breitkrempigen Hut. Die alte Frau mit dem Kopftuch irgendwo in Brooklyn. Zwar offenbart die Darstellung keine Lebensdetails, weil sich bei Hammerstiel das Existentielle immer elementar vermittelt, durch wuchtige Bildkomposition und farbliche Komplementärakkorde, aber man zweifelt keinen Augenblick daran, dass es diese Frau aus einem fernen Hinterland nach Amerika verschlagen hat. Mehr noch: Robert Hammerstiel scheint sie zu kennen, auf mysteriöse Weise. In der Raumtiefe eine Türe, die offen steht und ins Ungewisse weist.
Robert Hammerstiel hat eine weite Lebensreise hinter sich gebracht, um in New York traumatische Urbilder wieder zu finden, die er seit seiner Kindheit in sich trägt. Der dunkle Mann mit dem Hut: Er war schon da, als 1941 die deutsche Wehrmacht in Werschetz/Vršac einmarschierte, jener Stadt im Banat, in der Hammerstiel aufgewachsen ist und die heute in Serbien liegt. Ungarn und Rumänen, Juden und „Altösterreicher deutscher Zunge“, Serben und Roma lebten in jenem verschollenen Zwischenland. Nach Massakern durch die Türken war das Gebiet fast menschenleer, als im 18. Jahrhundert deutschsprachige Bauern im Banat an der österreichischen „Militärgrenze“ angesiedelt wurden. Der zweite Weltkrieg hat alle Kontinuitäten zerrissen, rundherum Mord und Vertreibung, Hunger und Verwüstung. 1944, nach dem Einmarsch der sowjetischen Truppen, begann für den 11-Jährigen Schüler Robert Hammerstiel eine Odyssee von Lager zu Lager, bis er mit Mutter und Bruder, nach Krankheit und entwürdigender Flucht, 1947 schließlich nach Niederösterreich gelangte. Seither lebt er im südlichen Niederösterreich, in Ternitz. Seit 57 Jahren lebt er nun dort, geschützt durch Haus, Garten und Atelier. Wahrscheinlich aber war und ist Ternitz immer bloß eine Zwischenstation.
„Aus dem Peripheren“, sagt Hammerstiel mit stolzer Erhabenheit, „kann man die Mitte besser kontrollieren“. Und er sagt auch: „Wer wie ich aus einem toten Winkel kommt, hat auch die Freiheit, großzügig zu malen.“ Großzügigkeit, das ist für Hammerstiel eine formale Einfachheit, die keinesfalls einfach, sondern mit der Magie im Bunde ist. Eine Zurücknahme, die die Seele öffnen soll für Unsagbares und Transzendentes. Der Begriff Peripherie, ein konstitutives Wort für die Identitätskonstruktion des Malers und Grafikers, beschreibt auch die Anfänge eines Künstlerwerdens fernab von Kunstbetrieb und akademischer Ausbildung. Für die fehlten in den frühen 1950er Jahren alle Rahmenbedingungen: Bäckerlehre, Arbeit im Stahlwerk als Former, frühe Einführung ins Malen und Zeichnen durch den Vater, der im Banat formell Bäcker gewesen war, vor allem aber Luftikus und Maler von Geschäftsschildern und Ikonen. Das „lebenslange Lernen“ war für Robert Hammerstiel offenbar nie Phrase, sondern Pilgerreise, ein gieriges Aufsaugen von Kunsterfahrungen. Diese waren stets von großer Leidenschaft bestimmt – die Kunstgeschichte als Ferndialog mit Wahlverwandten. Wenn man Hammerstiels auf vier Seiten aufgelistete Lebensdaten liest, stößt man häufig auf das Wort „Begegnung“, auch prägende Museumsbesuche sind vermerkt. Man erahnt, dass es sich jeweils um den Beginn einer empathischen Freundschaft handelt, um ein Erweckungserlebnis, das alles Vorherige in Frage stellte: 1961: „Begegnung mit Arbeiten von Félix Vallotton“ – 1977: „Besuch des Emil-Nolde-Museums“ – 1980: „Reise nach Florenz und Rom mit dem Filmregisseur Wolfgang Lesowsky. Begegnung mit Arbeiten von Giorgio Morandi und Carlo Carrá.“ In den 1990er Jahren begann ein großer Zyklus mit Hommagen an die Lebensfreunde aus der Kunstgeschichte, unter denen Bonnard und Bacon besondere Ehrenplätze haben. Bei Bacon ist das fiebrig-sündige Violett, das Hammerstiel bis heute als Weltwunder empfindet. Diesmal waren es Begegnungen auf ein und derselben Leinwand. Unter einer Stahlmonotypie von 1995, auf der zwei gelbliche Flaschen von archetypischen Hammerstiel-Körpern flankiert sind, liest man neben einer Widmung an Giorgio Morandi einen Ausspruch des verehrten Meisters der meditativen Flächigkeit: „Es gibt nichts Abstrakteres als die sichtbare Welt.“
Ein Blitzschlag von biblischer Wucht trug sich 1951 zu. Hammerstiel war damals achtzehn. Wenn er darüber spricht, und er hat wohl oft schon darüber gesprochen, wird deutlich, dass es sich um ein Erlebnis handelte, das Kräfte in Gang setzte, die bis heute nicht zur Ruhe gekommen sind. Hammerstiel stieß auf eine Reproduktion eines Südsee-Gemäldes von Paul Gauguin, der bekanntlich viele Welten durchquert hat, bevor er Maler sein konnte. Vitalität, Sehnsucht, Fremdheit – all das mag eine Rolle gespielt haben. Vor allem aber ging es um ein kompositorisch-formales Element, das dem angehenden Künstler als ungeheuerlich erschien: „Das halbe Bild war nur rosa.“ Wenn Hammerstiel von Großzügigkeit spricht, meint er stets auch große, autonome Farbflächen, die ohne Liniengerüst die Bilder gleichermaßen stabilisieren und aufreißen. Vom frühen Expressionismus kommt das Vertrauen in die Rohkraft reiner Farben und die Suche nach psychischem Elementarismus, vom Kubismus der Hang zur Formvereinfachung, von der Pop-Art das Wissen um die Tiefe von Oberflächen. Es sind im Kern formal-kompositorische Problemstellungen, an denen sich Hammerstiel seit Jahrzehnten beharrlich abarbeitet. Anfangs war die Palette verhangen und gedeckt, langsam und relativ spät erst wurde sie offensiv und leuchtend, bis hin zu plakativer, schriller Giftigkeit, ein Flimmern in Lila, Rot, Magenta, Orange und Pink. Hammerstiel sieht darin heute die entscheidende Grenzüberschreitung seiner malerischen Suche. Die Erfahrung New York gab den Rest.
Es waren Prüfungen, denen sich Hammerstiel immer wieder stellt. Zum Beispiel: „Wie kann ich Gesichter wegmalen?“ Bis in die 1980er Jahre haben die bereits auf Silhouetten reduzierten Körperfiguren, zumeist bäuerlich anmutende Frauen mit stilisiertem Kopftuch, noch Andeutungen von Physiognomien, zumeist düstere, fratzenhafte, schädelähnliche. Doch irgendwann war alles Unnotwendige herausgemalt, war das Individuelle endlich zu purer Form geworden. Das Ungewöhnliche dabei: Obwohl die einander immer ähnlicheren Gestalten modulartig in immer neuen Farbkonstellationen immer neue geometrische Arrangements eingingen, wurden sie nicht zu neutralen Stereotypen. Die Suggestion wurde sogar stärker, in der entleerten Fläche nach Lebensspuren zu suchen. „Die Lebensträger“ nannte Hammerstiel eines seiner Figurenbilder.
Nicht zu übersehen ist, dass die Schattenkörper fast immer zueinander in Beziehung stehen, auch und gerade dann, wenn sie aneinander vorbei zu existieren scheinen. Sie befinden sich in umschlossenen Räumen, die an Szenenbilder im Theater erinnern. Häufig befindet sich ein Tisch in der Raummitte, das Licht ist fast immer künstlich. Petroleumlampen, die monumentale Schatten werfen, sind Rückblenden auf Primärbilder aus der Banater Kindheit. Innen und Außen die Utopie von stabiler Gemeinschaft. Doch die Tür steht offen, draußen droht das Nichts. „Vor dem Aufbruch“ heißt ein 1988 entstandenes Gemälde. „Nächtliche Angst“ eines von 1974. Gemalt in Ternitz, auf dem halben Weg zwischen Werschetz und New York.
Wolfgang Kos, ehem. Direktor Wien Museum, 2006
In: Robert Hammerstiel – Bilder eines Zeitzeugen, Katalog zur Ausstellung im Leopold Museum, Wien 2006
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Die angeführten Galerien vertreten das Werk von Robert Hammerstiel bereits seit vielen Jahren. In regelmäßigen Abständen zeigen sie auch nach seinem Tod Ausstellungen zu verschiedenen Schwerpunkten und Thematiken.
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Ausstellungen Robert Hammerstiel
01.bis 04. Galerie Laing, Münster 2018
05 bis 07. Galerie Laing, Münster 2023
08. und 09. Galerie Artecont, Wien 2018
10. Galerie Gerlich, Salzburg 2021