Der Maler, Zeichner und Grafiker Robert Hammerstiel ist ein
Künstler, dessen Werk in ganz besonderem Maße von seinem bewegten
Lebenslauf geprägt ist. 1933 wurde er als Kind deutscher Auswanderer
in Werschetz im Banat im heutigen Serbien geboren. Als Elfjähiger erlebte
er die Vertreibung der deutschen Bevölkerung durch die sowjetischen Truppen
und die jugoslawische Befreiungsarmee; er selbst durchlitt bis 1947 schwere
Jahre in vier Internierungslagern, wo er den Tod zahlreicher ihm nahestehender
Menschen erleben musste, bis ihm, seiner Mutter und seinem Bruder die Flucht
über Ungarn nach Österreich gelang.
Robert Hammerstiel erlernte in seinem neuen Wohnort Ternitz/Pottschach in
Niederösterreich, wo er heute noch lebt und arbeitet, den Bäcker-Beruf
seines Vaters. Als der Vater, der auch Ikonen- und Schildermaler war, aus
der Kriegsgefangenschaft heimkehrte, erteilte er dem Sohn Unterricht im Malen
und Zeichnen. 1958 erhielt Robert Hammerstiel durch die Teilnahme an einem
Wettbewerb des österreichischen Gewerkschaftsbundes den Förderpreis
für Malerei und damit die Möglichkeit, an der Wiener Kunstakademie
zu studieren. Während des Studiums arbeitete er zusätzlich noch
bis 1979 unter härtesten Bedingungen als Gießer in einem Stahlwerk
in Ternitz. Ende der 60er Jahre begann er, sich auch künstlerisch mit
seinen traumatischen Kindheitserlebnissen auseinanderzusetzen, was sich in
einer dunklen, ja düsteren Farbpalette niederschlug. Die folgenden Jahre
waren geprägt von Reisen in die alte Heimat, in Europa, in die USA und
Afrika sowie von zahlreichen Ausstellungen im In- und Ausland. Robert Hammerstiel
wurde mit zahlreichen Preisen geehrt, u.a. 1998 mit dem Goldenen Ehrenkreuz
für Wissenschaft und Kultur der Republik Österreich, zuletzt 2008
mit dem St. Leopold-Friedenspreis für humanitäres Engagement in
der Kunst. 1985 wurde ihm der Ehrentitel "Professor" durch den Österreichischen
Staat verliehen.
Seit 1988 ist er ausschließlich als Bildender Künstler tätig;
es war ein entscheidendes Jahr für ihn: er reiste nach New York, eine
offene, lebensbejahende, schrille Welt, die ihn faszinierte und seine Farb-
und Formgebung radikal veränderte. 1999 schrieb Robert Hammerstiel den
ersten Teil seiner Autobiografie, der zweite Teil erschien 2007.
In den letzten Jahren hat der Künstler vor allem durch seine großen
Einzelausstellungen im Wiener Künstlerhaus und im Leopold-Museum Wien,
das ihm als einzigem lebenden Künstler Ausstellungen ausrichtet und zahlreiche
seiner Werke in seiner Sammlung hat, sowie mit der malerischen Verhüllung
des Wiener Ringturms von sich reden gemacht.
Hier in dieser Ausstellung werden in erster Linie Arbeiten der letzten zehn
Jahre gezeigt. Den Hauptteil im linken Teil der Ausstellung nehmen ca. 40
Hommagen an Künstler und Künstlerinnen des 19. und 20. Jahrhunderts
ein, dazu gibt es ca. 20 Arbeiten anderer Themen, diese sind chronologisch
nach Entstehungsjahren im rechten Teil der Ausstellung präsentiert. Robert
Hammerstiels künstlerische Medien sind Holzschnitt, Zeichnung und Malerei,
in früherer Zeit malte er vorwiegend in Öl, heute in Acryl. Seine
Themen sind religiöse Zyklen, Arbeiten zu verschiedenen Dichtern und
Komponisten, wie z.B. zu Schuberts Winterreise, in erster Linie aber alltägliche
Situationen, die er verknüpft mit Erinnerungen an Erlebnisse der Vergangenheit.
Immer begleitet ihn die Musik - Schubert, Bach, aber auch die serbische Volksmusik
u.v.m. bei seiner Arbeit.
Robert Hammerstiel ist ein abstrahierend gegenständlich
arbeitender Maler. Im Kontrast zu seinen in Schwarz-Weiß gehaltenen
Holzschnitten, die ich hier im vorderen Teil der Ausstellung präsentiert
habe, und auch im Gegensatz zu seinen frühen dunklen, ja mystischen Bildern
malt er seit dem Ende der 80er Jahre, seit seiner New York Reise Bilder in
einer zunehmend reduzierten Formensprache und einem extrem-grellfarbigen Kolorit,
das ihn in die Nähe der US-Pop-Art rückt, auch was die Raumkonzeption
und die Glätte des Farbauftrags betrifft. Aber zur Pop Art sagt er auch:
"Die Bilder finde ich faszinierend, was Komposition und Farbe betrifft,
aber sie haben keine Magie. Es fehlt das Unheimliche, das Geheimnis. Irgendein
Geheimnis will der Mensch ja haben! Er muss irgendetwas Magisches haben, etwas
Transzendentes. Und ich dachte mir, ich könnte doch so malen, dass ich
die Pop-Art benütze und dabei extrem magisch werde...".
Das Spezifische seiner Bilder sind die eingefügten, den Raum mehr oder
weniger dominant besetzenden leuchtend-monochromen - oft in den emotionsgeladenen
Farben Rot und Orange gehaltenen - Figuren, die ganz von Innenleben und Gesichtern
befreit und auf Haltung und Gestik reduziert wurden. Ihre Schablonenhaftigkeit
- die ihren Ursprung auch in der Ikonenmalerei seiner serbischen Heimat hat
- macht sie geheimnisvoll, ja unheimlich, es steckt tatsächlich etwas
Magisches in Robert Hammerstiels Bildern... . Die radikale formale und farbliche
Reduktion steht für seine thematische Konzentration auf das Elementare,
das Wesentliche des Lebens: er versucht, das Wesen des Menschen darzustellen,
sein Verhalten, seine Gefühle, sein Leid und seine Freude, seine Wünsche,
seine Motivation in bestimmten Lebensumständen. Hinter den schönen
Farben und Formen steckt die Tragik der menschlichen Existenz mit Gefühlen
und Zuständen wie Einsamkeit, Eingesperrtsein, Getriebensein, Entbehrung,
Gewalt, Tod, aber auch Glaube, Liebe, Würde, Geborgenheit, Freundschaft,
Mutterschaft. Hammerstiels Menschen sind keine Individuen, obwohl Erinnerungen
und Bezüge zu ihm nahestehenden Personen zugrunde liegen. In den meisten
Fällen malt er Frauen bzw. Mütter. Sie waren die wichtigsten Bezugspersonen
in seiner Kindheit. "Die Antriebskraft für meine Malerei",
so sagte Robert Hammerstiel bereits 1993, "ist die innere Notwendigkeit,
die Erfahrungen meiner Vergangenheit und Gegenwart in ein Symbiose zu bringen.
Alles Erahnte und Erschaute ist mir Mysterium. Farbe und Form versetzen mich
nicht nur in Euphorie, sondern sie geben mir die Möglichkeit Statik und
Bewegung in ein Gleichmaß zu bringen, das ich durch meine Arbeiten auszudrücken
versuche".
Seine Bilder sind Auseinandersetzungen mit Raum, der
bei Hammerstiel immer in die Tiefe gestaffelt ist: Wie wird der Raum aufgeteilt,
wie verhalten sich die Figuren zueinander und zum Raum, welche Rolle spielen
Farbe und Form, wie weit kann die Form noch vereinfacht und gleichzeitig verklärt
und mystifiziert werden, wie kann immer wieder neu kompositorische Spannung
erreicht werden, ohne die Harmonie einer Maniriertheit zu opfern. Die Menschen
in seinen Bildern befinden sich meist in Innenräumen, die überall
auf der Welt sein können, oft steht ein Tisch in der Mitte, die Beleuchtung
ist fast immer eine künstliche. Aber auch im öffentlichen Raum werden
sie dargestellt, im Zug, im Krankenhaus, auf dem Markt, in der Stadt, immer
stehen sie in Beziehung zueinander, sind in Gespräche verwickelt, agieren
in alltäglichen, manchmal aber auch in nicht zu definierenden Tätigkeiten.
Zu den Hommagen: Den Zyklus der Hommagen, der dieser Ausstellung den Titel
"Ich und die anderen" gibt, begann er (bis auf wenige frühere
Arbeiten) im Jahr 2003, über 126 Werke sind seitdem entstanden, eine
komplette Liste der bisher entstandenen Hommagen finden Sie am Beginn der
Ausstellung Das erste Bild ist dem französischen Impressionisten Auguste
Renoir gewidmet, das zuletzt in diesem Jahr entstandene dem spanischen Surrealisten
Salvador Dali. Robert Hammerstiel beschäftigt sich in den Hommagen mit
den Werken von Künstlern unterschiedlichster Stilrichtungen. Es sind
Werke von Künstlern und Künstlerinnen des 19. und 20. Jahrhunderts,
die wesentlich für ihn sind, die ihn inspirieren und - durchaus auch
kontrovers - berühren. Hammerstiel versteht seine Hommagen weniger im
ursprünglichen Sinn als Ehrerbietung, sondern vielmehr als intensive
Beschäftigung mit Leben, Werk, Bildsprache und Denken der ausgewählten
Künstlerpersönlichkeiten. Wir finden hier nicht nur Werke von großen
Meistern der neueren Kunstgeschichte, sondern auch weniger bekannte Künstler,
die er schätzt - allen voran einer seiner Lieblingsmaler, der Amerikaner
Milton Avery oder auch Maler aus seiner serbischen Heimat wie seinen Vater,
den Ikonenmaler Anton Hammerstiel (1906-1979). Vielen dieser Künstler
ist, wie Robert Hammerstiel selbst, großes psychisches und physisches
Leid auf ihrem Lebensweg widerfahren bzw. haben sie Leid in der Welt empfunden
und malerisch umgesetzt.
Robert Hammerstiel verbindet Zitate bzw. Ausschnitte aus Werken der ausgewählten
Künstler mit seinen oft grellfarbig-monochromen, schemenhaften bzw. formal
auf das Wesentliche verdichteten Gestalten zu einem spannenden Dialog: manchmal
nehmen sie an der Handlung des abgebildeten Gemäldes teil, mal sind sie
stille Beobachter, ein anderes Mal Vermittler zwischen Kunstwerk und Betrachter
des Bildes. Häufig handelt es sich um Menschen und Tiere aus Hammerstiels
Leben.
Der anlässlich der Ausstellung "Robert Hammerstiel. Hommagen"
im Künstlerhaus Wien im Jahr 2007 erschienene Katalog enthält zu
jedem Bild einen Kommentar von Hammerstiel zu dem ausgewählten Künstler.
In der Ausstellung vermitteln zudem zwei Videos Informationen über sein
Leben und seine Kunst.